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An jedem Tag unseres Lebens werden wir zu Empfängern von Informationen, die uns an unseren Arbeitsplätzen, Häusern, Städten und Geschäften umfließen. Egal wohin man geht, diese Informationen sind überall, damit man "auf dem neusten Stand" und "informiert" bleibt; damit man weiß, was in der Welt alles passiert ist. Selbst wenn man all dem an einem normalen Tag entfliehen wollte, könnte man es nicht, denn stets ist jemand zur Stelle, der etwas "wichtiges" gehört oder gesehen hat und bereit ist, diese Neuigkeit mit dir zu teilen. Die Medien sind nicht länger "die dritte Macht eines unabhängigen Staates", sondern ein Mittel, um deine Zeit mit Unterhaltungskultur und Teilnahme am politischen Geschehen zu füllen (mit der Absicht, dich den "richtigen" Kandidaten wählen zu lassen), und vielleicht noch, um deinen Geist nach einem harten Arbeitstag zu beruhigen. Aber beruhigt es dich wirklich?

Für jeden, der an der politischen Entwicklung seines Landes Anteil nimmt, wird die Notwendigkeit - ein Bedürfnis - geschaffen, Tag für Tag den endlosen Debatten von Links und Rechts zu folgen und auf ihre die Wirtschaft betreffenden Ideen zu warten, während das Standardbild eines multikulturellen Erlösers uns Glauben, Geld und Freiheit verspricht. Die meisten Leute akzeptieren das, ohne darüber nachzudenken, während andere der Meinung sind, dass dies alles Unsinn ist, es sich jedoch trotzdem ansehen, weil sie nichts besseres zu tun haben. Wenn man nicht aus politischen Gründen vor dem Fernseher gelandet ist, ist man vielleicht dorthin gekommen, um die neueste melodramatische Seifenoper zu sehen, in welcher falsche Sänger innerhalb von zwei Monaten Superstars werden, Menschen aus verschiedenen Kulturen miteinander Spaß haben und beweisen, dass "jeder durch Multikulti gewinnt", oder aufregende Filme, in welchen ein und dasselbe Thema wiederverwertet wird, da Brad Pitt gerade krank ist und so George Clooney einspringen musste (welche Rettung!). Letzten Endes schauen die meisten Menschen fern, und das nicht zu knapp.

Daneben lesen sie Zeitung, was im Grunde genommen bedeutet, dass ihnen die Dinge, welche sie im Fernsehen gesehen haben, nochmals vorgesetzt werden, diesmal allerdings mit mehr Nachrichten und in Buchstabenform. Oftmals dreht sich alles um aktuelle politische Themen (Immigration, die Rechte von Schwulen, Steuern und "Krieg für die Freiheit"), Klatsch über die Menschen, welche letzte Nacht im Fernsehen zu sehen waren, und ein paar Artikel beschäftigen sich mit der Frage, wie Neonazis, Terroristen aus dem Mittlere Osten oder ein anderer liberaler Demokrat das Land unter ihre Kontrolle bringen. Alles nicht neu, denkst du dir und blätterst um, um vielleicht etwas positives in all dieser Informationsmisere zu entdecken; aha- es wird ein sonniger Tag werden, was bedeutet, dass du die Kinder nach der Arbeit zum Strand bringen wirst.

Auf deinem Weg zur Arbeit schaltest du dein Autoradio ein, um den Verkehrslärm zu übertönen. Das Radio bestätigt all die Nachrichten, die du eine Stunde vorher in der Zeitung gelesen hast, allerdings gibt es noch mehrere Interviews dazu sowie die Erkenntnis, dass es bergab geht. Du wechselst die Frequenz, aber entweder empfängst du nur Rauschen oder dieselbe alte Popmusik, die schon tausendfach vorher gespielt worden ist, allerdings mit anderen Texten versehen oder von einem anders aussehenden Künstler vorgetragen. Es bringt nichts, sich das anzuhören, denkst du dir, drehst das Radio aus und erkennst, dass der Klang von Hupen und lautem Gebrüll viel angenehmer ist als die ständige Wiederholung von kaputten Liebesliedern, Hymnen an die Freiheit oder eine Mischung aus beidem.

Wenn du auf der Arbeit ankommst, weißt du ganz gut, was du zu tun hast. Die meisten Aufgaben hast du schon einmal erledigt, und dieser Tag wird sich kaum von einem anderen Tag deines Lebens unterscheiden. Was sein muss, muss sein, und so kommst auch du damit klar. Es läuft gut, wie immer, zumindest ist niemand da, der dich stören könnte. Wenn endlich Mittagspause ist, lässt du die Dinge liegen wie sie sind, und begibst dich in die Kantine. Dort sitzen andere Angestellte und sprechen über Themen, von denen du in den Nachrichten gehört hast. Die meisten haben eine Meinung zu dem, was gerade los ist, und die meisten denken auch, dass es mit dem Land abwärts geht. Möglicherweise kommt es zu kleinen politischen Diskussionen, und deine Kollegen distanzieren sich rasch voneinander, indem sie die verschiedenen Seiten von rechts und links aufzählen, und erklären, warum ihre Seite alle Probleme lösen wird. Seitdem diese Versprechen gemacht worden sind, sind 20 Jahre vergangen, aber daran denkt im Moment niemand, und die, die es doch tun, sind zu müde, um sich ernsthaft damit zu befassen. Schlimmer kann es sowieso nicht werden.

Du verlässt die Arbeit, körperlich und geistig erschöpft - die Erschöpfung des einen zieht stets die des anderen nach sich. Der Verkehr ist stärker als vorher, und die Hitze der sengenden Sonne irritiert die Menschen und macht sie aggressiv. Das führt dazu, dass an verschiedenen Stellen ein kleineres Chaos ausbricht, wobei ein Auto das andere rammt, jemand durch ein Fenster die Leute anschreit, sie sollen verschwinden, und jemand anders, von all dem ermüdet, einfach ein Schläfchen auf dem Rücksitz macht und dadurch die gesamte Straße blockiert. Du befindest dich inmitten dieser ganzen Misere, noch verwirrter und müder, mit noch mehr Stimmen und noch mehr Gerede, das in deinen Ohren widerhallt. Die Sonne steht genau über dir, aber du weißt, dass es keinen anderen Weg hier heraus gibt als den nach Hause, daher drehst du die Klimaanlage voll auf, schaltest das Radio ein, um all diesen Lärm loszuwerden, und lehnst dich in deinem Sitz zurück. Du hörst, wie Politiker Meldungen bestätigen, die heute Morgen gemeldet worden sind, und wie sie dich vor all dem retten werden, wenn du ihnen nur deine Stimme gibst, wenn du nach Hause gekommen bist. Du glaubst nicht, was sie sagen, aber du weißt, dass es keinen anderen Weg gibt, und so merkst du dir einen Namen und beschließt, diesmal das recht Parteispektrum auszuprobieren.

Zuhause brichst du mehr oder weniger zusammen, fällst auf die Couch und findest dich selbst gestrandet im Wohnzimmer wieder. Ausgebrannt, verschwitzt und voll von den Dingen, die du während des Tages gehört und gelesen hast, beschließt du, dir ein kleines Schläfchen zu gönnen. Du schließt die Augen und alles in deinem Kopf fängt an, sich zu drehen. Bilder von Politikern, die Reden halten, brennen sich in dein Gedächtnis ein. Du siehst sie, wie sie reden, aber du siehst keine Auswirkungen dessen, was sie sagen. Vielleicht wird auch all das ertränkt in Radiomusik, Werbespots, Meldungen über Terroristen aus den Nachrichten - es fühlt sich so an, als ob dein Kopf wegen all der Informationen, die du erhalten hast, explodieren wird.

Plötzlich wird deine "Ruhe" durch Gelächter und Geschrei unterbrochen. Du wachst auf und findest deine Kinder neben dir, ein Videospiel spielend und sich darüber streitend, wer der Sieger ist und wer nicht. Ruhig, noch immer einen schwächeren Kopfschmerz fühlend, bittest du sie, das Spiel auszuschalten und stattdessen zum Spielen nach draußen zu gehen. Schreiend antworten sie dir, dass draußen spielen langweilig und das Videospiel nicht fair ist. Du erinnerst dich daran, dass du ihnen heute Morgen versprochen hast, sie zum Stand zu fahren, aber du kannst auf keinen Fall wieder ins Auto steigen. Da deine Frau noch immer auf der Arbeit ist, stolperst du ins Schlafzimmer und schließt die Tür.

Durch die gute Klimaanlage ist die Luft hier drinnen kühl und frisch. Du hast sie selbst repariert, da niemand anders für dich kompetent genug dafür war. Wenn du jemanden beauftragt hast, etwas in deinem Haus zu reparieren, endete es meistens mit einer leeren Brieftasche und Lösungen, die nicht so funktioniert haben, wie sie eigentlich sollten. Aber jetzt bist du daran gewöhnt, die meiste Arbeit anderer Leute zu erledigen, weil diese Leute nicht dazu in der Lage sind. Es ist dir längst zuviel geworden, und du fühlst, dass es an der Zeit ist, dass jemand anders an deine Stelle tritt. Deine Augen starren die Stelle der Wand an, auf die das Sonnenlicht durch die halbheruntergelassenen Jalousien fällt, welche davon künden, dass sich jemand in diesem Raum ausruht, aber nicht schläft, doch gleichzeitig nicht völlig wach ist. So fühlst du dich, und so willst du den Rest des Tages verbringen. Endlich Frieden.

Neben dir lag ein Foto deiner Familie, welche vor einem Berg posiert, nicht weit entfernt von dem Ort, an welchem du früher gelebt hast. Natürlich, es war eine kleine Stadt, und es gab nicht viele Plätze, wo man hingehen konnte, um Kleidung zu kaufen, Videospiele auszusuchen oder andere Dinge zu finden, die zu regelmäßigen Zeiten ins Haus gebracht werden müssen, aber es war ein stiller Ort. Still in der Form, dass man von unerwünschtem äußerem Einfluss verschont wurde. Im Radio wurde immer klassische Musik gespielt, welche überraschenderweise deine Sinne zur Ruhe brachte und dir oftmals das Gefühl einer besonderen Lebendigkeit gab, anders als Popmusik, die dich verrückt macht. Fernsehen- es gab kein Fernsehen. Stattdessen hast du viel Zeit mit deiner Frau und deinen beiden Söhnen verbracht, hast sie auf Pfade zwischen schönen Bäumen und Seen geführt, auf denen sich das Sonnenlicht zwischen Morgen und Abend ständig spiegelte. Nachts hast du gelesen, die Zeit in der Geschichte deines Großvaters und seiner Familie verbracht. Du hast oft darüber nachgedacht, wie sein Leben war, verglichen mit deinem. Aber die meiste Zeit hast du deine Gedanken schweifen lassen, angeregt von den Büchern und Fotos, als wäre die Vergangenheit eine ersehnte Wirklichkeit- nicht fern, aber weit genug weg, um zu verschwimmen und unerreichbar zu sein.

Wenn du diese alten Schwarzweißfotos ansahst, Fotos vergangener Familien, dann hast du Menschen gesehen, deren Leben hart war, vielleicht schlechter als deins, welche für ein regelmäßiges Einkommen und für den Zusammenhalt ihrer Familie kämpften. Dennoch gab es auf den Fotos keine verhärteten Gesichter zu sehen. Kein Bedauern, keine Geheimnisse- alles ließ; sich in den Augen jener ablesen, welche auf den Fotos posierten, im Nebel vergangener Jahre. Tief in ihrem Inneren waren sie glücklich. Dies waren die Gedanken, welche du hattest, während du in einsamen Nächten in der Küche gesessen und durch das kleine Fenster gestarrt hast, in der Hoffnung, das Auftauchen des Mondes am glühenden Horizont zu sehen. Solche Momente sind dir unvergesslich geworden.

"Was machst du? Steh auf, wir müssen Andy zum Arzt bringen, ein älterer Junge hat ihn in den Bauch geboxt und er sagt, dass es ihm wehtut. Erinnere mich daran, den anderen zu McDonalds zu bringen, denn ich habe heute Abend keine Zeit zu kochen. Steh nicht so rum, beweg' dich! Ach ja, das Dach ist undicht, offensichtlich hat der Kerl das Problem nicht aus der Welt geschafft, genau wie du gesagt hast. Du musst das erledigen, sobald du wieder zu Hause bist. Bitte mach' diese klassische Musik aus, sie stört Andy! Ich habe heute meinen Gehaltsscheck bekommen, also erinnere mich, dass ich ihn bei der Bank einlöse, wir brauchen mehr Kleidung. Ich werde Morgen nicht zuhause sein, also tu dir selbst eine Gefallen und kauf' ihnen ein neues Videospiel, ansonsten werden sie wohl das Haus zerlegen, bevor ich wieder da bin. Die Schule hat heute Morgen angerufen; Johns Leistungen im Lesen sind schlecht, du musst mehr mit ihm üben. Ja, ich weiß;, aber was soll ich machen? Du bist derjenige, der zuhause ist, also musst du die Verantwortung übernehmen. Immer dasselbe mit euch Männern- ihr macht euch nie um etwas anderes Sorgen als um euch selbst. Wer soll all das wieder geradebiegen? Ich? Ich arbeite so hart wie ich kann und habe damit genug zu tun, also sag' mir bitte nicht, was ich zu tun habe! Hol' die Autoschlüssel, Andy geht es schlechter. Deine Mutter hat vor einer Minute angerufen, sie sagt ihre Operation hätte nicht das gewünschte Ergebnis erzielt und jetzt müsse sie zwei Monate auf einen neuen Termin warten. Was ist nur aus dem verdammten Sozialsystem geworden? Apropos, da ist ein Brief gekommen wegen der Wahl, ich möchte, dass du ihn ausfüllst, damit wir es nicht vergessen. Mir ist heute einfach zuviel durch den Kopf gegangen."

"Genau wie mir... genau wie mir."

(May 20, 2007)

Our gratitude to "Fenris" for this translation.


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