Home Der Steppenwolf

Der im Jahre 1928 von Hermann Hesse veröffentlichte Roman 'Der Steppenwolf' handelt von der Figur des Harry Haller, der sich von der modernen, bürgerlichen Gesellschaft isoliert, um die klassizistischen Ideale der europäischen Meister wie Goethe und Mozart wieder aufleben zu lassen. Eines Nachts erhält er ein Manuskript, das sein Leben detailliert beschreibt: Ein ständiger, innerer Zwiespalt zwischen dem Leben als normalen Bürger bei Tag und das Umherirren bei Nacht, um die moderne Gesellschaft irgendwie zu überleben. Dieser Freudsche Dualismus zeigt die klassische, postmodernistische Problematik des Konflikts von Ideal und Realität auf.

Harry trifft die eigenartige, androgyne Figur Hermine, die ihn in das Nachtleben der Restaurants, Tanzhallen und Jazzkneipen einführt. Zunächst glaubt Harry, dass Hermines Einfluss ihn zu einem bürgerlichen Niemand macht und er sich in einem Vakuum befindet, in dem das Leben jegliche höhere Bedeutung verliert. Aber durch einen Prozess der Selbstfindung, der im Roman als 'magisches Theater' dargestellt wird, und durch die Entdeckung der Lösungsvorschläge im Manuskript erkennt Harry, dass die moderne Gesellschaft sein Geist defensiv gemacht hat und er nun jedes einzelne Aspekt der Massenpsychologie, die dieses demokratische, populistische Gefüge unterstützt, ablehnt. Somit wurde seine Persönlichkeit gespalten: Einerseits ist er ein extremes, revoltierendes Individuum und andererseits jemand, der versucht, sich in die Gesellschaft zu integrieren, um zu überleben.

Hesse beschreibt hier das grundsächliche Dilemma, das jeder Mensch, der die Modernität ablehnt, überwinden muss: Wenn man die moderne Gesellschaft verachtet, isoliert man sich von den Werten und der Psychologie der Masse - gleichzeitig müssen wir aber lernen, mit ihr klarzukommen, um sie letztenendes verändern zu können. Für Hesse stellt das Transzendieren der dualistischen Spaltung von 'ich' und 'sie' und die Nutzung des ganzen Potentials seiner Persönlichkeit eine Lösung dar. Harry Haller hat einen untrennbaren Teil seiner Persönlichkeit verleugnet: Er war nicht nur ein Außenseiter, der sich vor anderen Menschen versteckte und Mozart hörte, sondern auch ein Mensch, der das tägliche Leben, wie Essen gehen, Gespräche führen und tanzen, genießen konnte.

40 Jahre nachdem Hesse sein Roman veröffentlicht hatte, war die international bekannte Rock Gruppe Steppenwolf mit ihrem Lied 'Born To Be Wild' sehr erfolgreich. Der wilde Charakter von Hesses Isolationismus wurde zu bluesesquen Rock Rhythmen, weichem Stöhnen und einem hedonistischen Ruf nach individueller Freiheit und 'Ablehnung' reduziert. Hatte der moderne Mensch seine isolierte Position erfolgreich transzendiert? War die Reformierung der modernen Gesellschaft Realität geworden? Der eingängige Refrain übte den gleichen Reiz aus, den Demokratie und Freiheit während der Französischen Revolution hatte: Es lief nicht gut und viele Menschen mussten leiden, also begannen sie eine Revolution gegen die Adeligen und erklärten die 'Freiheit'. Der Glaube an das Individuum als Verkörperung höherer Werte wurde durch den Glauben an das Individuum an sich ersetzt. Das war 'Wahrheit'. Das war die Bedeutung von 'Born To Be Wild'.

Es ist wichtig, den Unterschied zwischen beiden Auffassungen von Individualismus zu verstehen, denn sie sind, obwohl sie möglicherweise einige Attribute gemeinsam haben, grundsächlich verschieden. Erstens war Hesse ein Gegner der modernen, demokratischen Gesellschaft. Er lehnte die Philosophie und die Massenpsychologie der Modernität ab und preiste stattdessen die klassizistischen Ideale von Mozart und Goethe (Harry und Mozart machen sich an einer Stelle des Romans sogar über die emotionale Musik des Romantikers Brahms lustig, die im Gegensatz zur präzisen Ästhetik der Klassik steht). Und obwohl Hesse die Romantik als künstlerische Ausdrucksform ablehnte, stellte sein Individualismus die eines Romantikers dar: die Isolation, der Ausbruch, die Einsamkeit und die Extremität ist nicht etwa das Ziel, sondern ein Prozess, der modernen Werte zerlegt and neue findet. Der 'Individualismus' der Romantik war ein Weg, um eine höhere Wahrheit über die der Masse zu finden. Goethes 'Die Leiden des jungen Werthers' ist in dieser Hinsicht sehr ähnlich.

Hesses Roman deutet darauf hin, dass wir Individuen, die die Modernität ablehnen, unseren Isolationismus nie als Ziel sehen sollten - nicht nur, weil es zum Scheitern verurteilt ist (wie viele Neo-Nazi Klubhäuser brauchen wir noch, um das festzustellen?), sondern weil es die Psyche des Individuums schädigt. Wir sind nicht bloß Dissidenten. Viele Menschen, die die Lügen der Demokratie, des Multikulturalismus und des industriellen Globalismus durchschaut haben, sind freundschaftlich und gesellig, werden aber immer introvertierter und fallen in Passivität zurück. Die Gesellschaft und ihre Mängel verfremden kluge Menschen, doch wenn wir die intelligenten Dissidenten verlieren, wer soll uns dann noch regieren? Wir sind nicht nur solche, die die moderne Gesellschaft hassen, sondern an erster Stelle menschliche Wesen, die denken und handeln. Obwohl es verlockend erscheinen mag, sich vor dem Wahnsinn in unserer Umgebung zu verstecken, verrät uns die Geschichte und der gesunde Menschenverstand, dass das ein Fehler ist; die Scheiße wird mit der Zeit auch deine Nachbarschaft infizieren und bis dahin wird es zu spät sein, etwas dagegen zu unternehmen. Hesse wollte nicht, dass Harry seine Ideale im Stich lässt, sondern dass er die 'bürgerliche' Seite seiner grundsächlichen, psychischen Mentalität akzeptiert und sich zwingt, sein großes Potential zu nutzen - ironischerweise etwas, das er sich selbst systematisch verleugnet hat.

Für die modernistische Rockband Steppenwolf war der Individualismus aber ein modernes Phänomen: Das Ziel des Individuums war es, etwas 'besonderes' zu werden, indem es eine Konformität pflegt, die soziale Normen ablehnt. Das Paradoxon wird hier deutlich: Wahrheit findet man nicht mehr extern, sondern innerhalb der Grenzen von dem, was als gesellschaftlich akzeptabel gilt. So werden 'Ideale' zu Symbolen des kleinsten gemeinsamen Nenners. Beim Motorradfahren mit hoher Geschwindigkeit würde die Selbstdarstellung des Individuums andere Menschen transzendieren, die immer noch Geschwindigkeitsbegrenzungen einhielten. Wenn wir aber diese Form von 'Individualismus' mit der von Hesse vergleichen, kommen wir schnell zu dieser Schlussfolgerung: Die Autobahnen der Moderne mit hoher Geschwindigkeit zu befahren ist nicht Ablehnung, sondern Konformität, auch wenn sie 'cooler' erscheinen mag.

Dieser Konflikt von romantischem und modernem Individualismus gibt uns jedoch einen praktischen Ansatz, um die moderne Gesellschaft zu überleben. Wir müssen radikal sein, wir müssen unsere Ideale beschützen und wir müssen kompromisslos sein - doch wir können es uns nicht leisten, Isolationisten zu werden. Vielleicht bist du klug genug, um das zu verstehen, was um dich herum passiert, doch wenn du zuhause bleibst und dich hinter deinem Mozart, Burzum, Evola, oder Hitler (welche Form von Traditionalismus du auch immer bevorzugst) versteckst, wirst du langsam zum Teil des Problems werden.

Die meisten Dissidenten, wenn nicht sogar alle, haben eine isolationistische Phase durchlebt - die Zeit, in der man alles ablehnt, die großartige indoeuropäische Literatur entdeckt, in die Musik von Beethoven und Emperor eintaucht und nachts durch die Wälder wandert. Dies ist eine sehr wichtige Phase des Lebens, denn während dieser Phase findet man inhärente Wahrheit, inneren Frieden, neue Ziele, neue Kraft und neue Spiritualität, um den nächsten Schritt zu gehen - nicht, um von seiner Gesellschaft getrennt leben zu können, sondern um sie zu bereichern, um sie zu stärken und für sie zu kämpfen. Wenn man die Moderne ablehnt, lehnt man auch den modernen Individualismus ab und schätzt die gemeinsame Kultur und die verwandten Menschen mehr, als seine eigene unmittelbare Existenz.

Dieser Aspekt des Steppenwolfs macht den Individualisten des modernen Zeitalters Angst: Wahre individuelle Rebellion geht über Moral und gesellschaftliche Akzeptanz hinaus und sieht den Individualismus als Prozess, der ein besseres Verständnis dieser Werte ermöglicht. Der Nihilist muss daher versuchen, ein Leben in Frieden mit sich selbst und mit der Gesellschaft zu leben. Wir können es uns nicht leisten, dass mehr intelligente Menschen die Gesellschaft verlassen, da wir dann unsere Kultur Menschen überlassen, die nicht einmal fähig sind, politische Parteien differenziert zu betrachten. Wir müssen den modernen Dualismus transzendieren, ohne dabei unsere Ideale zu kompromittieren. Wir müssen unsere menschliche Natur akzeptieren und dürfen uns nicht in eine außergesellschaftliche 'Sicherheit' wiegen. 'Sicherheit' ist eine Lüge.

Einen unzertrennlichen Teil dieser Gesellschaft zu werden und sie von innen zu verändern, ist die einzige Chance, die wir haben, um sie zu reformieren. Man macht einen Motor nicht besser, indem man die qualitativen Teile ausbaut und im Schrank versteckt, sondern indem man die schlechten Teile ausbaut und durch qualitative Teile ersetzt. Dissidenten müssen sich unter gemeinsamen Werten vereinigen und diese als Widerstand gegen die Plage der Modernität, die Europa langsam von innen zerfrisst, pflegen. Man muss mit der Masse, wie Nietzsche erkannt hat, mit seidenen Handschuhen umgehen. Diejenigen, die sich in kleinen extremistischen Gruppen wie etwa Neo-Nazi Bewegungen und syndikalistischen Gruppen, oder die sich Hütten in der Wildnis bauen, um dem Industrialismus zu entfliehen, verschließen, sind nicht Teil der Lösung. Sie setzen ihr materielles Wohlbefinden und ihre Selbstdarstellung, wie alle anderen modernen Menschen auch, vor ihren Idealen. Töte dein Ego, töte deine Selbstdarstellung, töte den modernen Individualismus. Bleib dir und deinen Idealen treu, egal was kommen mag.

"Ein Mensch, der fähig ist, Buddha zu begreifen, ein Mensch, der eine Ahnung hat von den Himmeln und Abgründen des Menschentums, sollte nicht in einer Welt leben, in welcher common sense, Demokratie und bürgerliche Bildung herrschen." - H. Hesse

April, 23, 2007

Our gratitude to "1191.4814.5102" for this translation.


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